Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP)
Informationen zu den Verhandlungen: Stand Mai 2016
Die Europäische Union (EU) und die USA verhandeln derzeit ein Abkommen über eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP). Die Verhandlungen befinden sich noch in einem Stadium, in dem das Ergebnis nicht absehbar ist. Die öffentliche Diskussion darüber benötigt eine klare Faktenlage, was derzeit oft durch widersprüchliche Informationen und teilweise unrichtige Behauptungen erschwert wird.
Das vorliegende Faktenblatt soll daher aktuell über die wichtigsten Inhalte informieren.
1. Warum TTIP?
Die EU und die USA sind eng verflochtene Volkswirtschaften. Der Abbau von Handelsbarrieren und die Ankurbelung der Exporte sollen daher zu mehr Wachstum und Arbeitsplätzen beitragen. Dazu hat die EU verschiedene Studien auf ihrer Homepage veröffentlicht, die dies auch mit Zahlen belegen.
Gerade Österreichs Wohlstand beruht auf Außenhandel, sechs von zehn Euro werden jenseits der eigenen Grenzen verdient. Die USA sind nach Deutschland und Italien der drittwichtigste Exportmarkt für österreichische Waren. Österreichische Unternehmen exportierten 2013 Waren im Wert von EUR 7 Mrd. in die USA (das sind 5,6 % der Gesamtexporte), die Importe aus den USA beliefen sich auf EUR 4,3 Mrd. (das sind 3,3 % der Gesamtimporte). Für die Steiermark sind die USA hinter Deutschland sogar der zweitwichtigste Exportmarkt mit einem Exportvolumen von fast EUR 1,5 Mrd. im Jahr 2014. Für ein stark exportorientiertes Land wie Österreich bzw. Bundesland wie die Steiermark sind der internationale Handel und der Abbau von Handelsbarrieren daher von besonderer Bedeutung.
2. Was ist der Inhalt von TTIP?
Das TTIP-Abkommen soll drei Teile beinhalten. Diese werden im TTIP-Verhandlungsmandat, das alle EU-Mitgliedstaaten beschlossen haben, genau dargestellt:
- Marktzugang: Das bedeutet, Unternehmen sollen einfacher - was gerade für kleinere und mittlere Unternehmen wichtig ist - am jeweils anderen Markt teilnehmen können. Dieser Teil soll die Abschaffung oder Senkung von Zöllen beinhalten, den Absatz von Dienstleistungen er-leichtern, den Zugang zu Vergabeverfahren erleichtern und klar regeln, welche Produkte er-fasst sind.
- Zusammenarbeit in Regulierungsfragen: Ziel dieses Teils ist es, Vorschriften und Regelungen zu harmonisieren ohne dadurch Verbraucherschutz, Umwelt- oder Gesundheitsschutz zu sen-ken. Dazu gehören die Zusammenarbeit bei der Festlegung neuer Regeln, die Vereinfachung von Produktprüfungen und Zertifizierungen sowie die Zusammenarbeit in genau definierten Industriezweigen.
- Allgemeine Fragen des Handels: Dazu gehören Themen wie das Urheberrecht, die besondere Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen oder Streitbeilegungsverfahren.
3. Was ist die österreichische Position?
In Österreich ist das Wirtschaftsministerium federführend für TTIP zuständig. Die wichtigsten Punkte der österreichischen Position sind:
- Aus österreichischer Sicht muss ein Freihandelsabkommen auf Fairness, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie basieren und die Standards der Verhandlungspartner respektieren.
- Für Österreich ist neben der Abschaffung von bestehenden Zöllen (Ausnahme: für sensible Agrarwaren müssen längere Zollabbaufristen und/oder Kontingentregelungen vereinbart werden) insbesondere die Beseitigung von nicht zollbedingten Handelshemmnissen besonders wichtig, wie etwa Erfordernisse spezieller Zertifizierungen. Entscheidend ist dabei aber, dass weiterhin jeder Vertragspartner das Schutzniveau insbesondere für Gesundheit, Sicherheit, Konsumenten-, Arbeits- und Umweltschutz nach eigenem Ermessen festlegen kann.
- Zu berücksichtigen ist auch, dass der US-Markt ein sehr wichtiger Markt für Umwelttechnologieexporte ist und langfristig ein bedeutender Überseemarkt etwa für landwirtschaftliche Produkte und Lebensmittel aus Österreich werden könnte. Derzeit gibt es in den USA noch zahlreiche administrative Hürden für die europäischen Umwelttechnologie-, Agrar- und Lebensmittelexporte.
- Österreich strebt eine wesentliche Verbesserung des Zugangs zum US-Beschaffungsmarkt auf allen Ebenen an.
- Österreich ist auch daran interessiert, dass kleinere und mittlere Unternehmen die Chancen aus diesem Abkommen gut nützen können. Viele Handelshürden belasten kleine und mittelständische Unternehmen überproportional, weil diese über weniger Ressourcen als große Unternehmen verfügen, um Hürden zu überwinden. Im Dienstleistungssektor sind Themen wie die audiovisuellen Dienstleistungen, die öffentlichen Dienstleistungen und die von Dienstleistern einzuhaltenden Arbeitsbedingungen aus österreichischer Sicht mit besonderer Sensibilität zu behandeln. Österreich tritt weiters für ehrgeizige Bestimmungen im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung ein.
4. TTIP und kommunale Aufgaben
Die Leistungen der - meist - kommunalen Daseinsvorsorge haben eine Sonderrolle bei den TTIP-Verhandlungen. Dabei ist nicht nur in der österreichischen Position, sondern auch aus Sicht der EU-Verhandler klar, dass die Regelungen über öffentlich finanzierte Gesundheits-, Bildungs- oder Sozialdienstleistungen oder die Wasserversorgung nicht zur Disposition stehen; der Gestaltungsspielraum von Gemeinden soll daher durch TTIP nicht in Frage gestellt werden.
5. Investitionsschutz
Das Thema Schiedsgerichte wird besonders intensiv diskutiert. Im Zentrum der Debatte steht die Frage, ob und wie Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt werden soll, Staaten auch vor Schiedsgerichten zu klagen. In diesem Zusammenhang darf man nicht vergessen, dass solche Schiedsgerichtsklauseln keine neue Erfindung sind, sondern bereits in 62 von Österreich bilateral abgeschlossenen Investitionsschutzabkommen enthalten sind.
Die Europäische Kommission hat dazu am 5. Mai 2015 ein Konzeptpapier und schließlich im September einen konkreten Verhandlungsvorschlag zur Reformierung des Investitionsschutzes vorgelegt: Es soll eine öffentliche Investitionsgerichtsbarkeit geschaffen werden, die aus einem Gericht erster Instanz und einem Berufungsgericht besteht. Urteile werden von öffentlich bestellten, hochqualifizierten Richterinnen und Richtern gefällt. Ihr Profil ist vergleichbar mit dem der Mitglieder ständiger internationaler Gerichte wie dem Internationalen Gerichtshof und dem WTO-Berufungsgremium.
Das neue Berufungsgericht soll dem seit Jahren bewährten System der Welthandelsorganisation WTO nachgebildet sein. Die Möglichkeiten für Investoren, einen Streitfall vor das Gericht zu bringen, sind genau festgelegt und auf Fälle wie gezielte Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, Religion oder Nationalität, Enteignung ohne Entschädigung oder Rechtsverweigerung beschränkt. Das Regelungsrecht der Regierungen wird verankert und in den Bestimmungen der Handels- und Investitionsabkommen garantiert.
Dadurch soll das neue System auf denselben rechtsstaatlichen Grundsätzen auf wie heimische und andere internationale Gerichte aufbauen mit transparenten Verfahren, öffentlichen Anhörungen und Stellungnahmen.
6. Transparenz
Die Verhandlungen auf europäischer Seite werden von der Europäischen Kommission im Auftrag der Mitgliedstaaten geführt. Nach Abschluss der Verhandlungen muss das Abkommen vom Europäischen Parlament und aller Voraussicht nach (abhängig vom Verhandlungsergebnis) von allen Mitgliedstaaten beschlossen und genehmigt werden. Die Kommission hat auf die Kritik mangelnder Transparenz reagiert und zugesagt, Positionspapiere (die Sichtweise der EU zu allen Verhandlungsthemen), Textvorschläge, die in die Verhandlungen eingebracht werden sowie Ergebnisse der einzelnen Verhandlungsrunden zu veröffentlichen.
Diese Dokumente sind - auch in deutscher Sprache - abrufbar unter http://tinyurl.com/patgv4u. Eine erste Evaluierung hat jedoch gezeigt, dass diese Dokumente trotz der Kritik an der Intransparenz offensichtlich auf wenig Interesse stoßen und im Schnitt nur rund 25mal am Tag aufgerufen werden. Auch die Dokumente zum CETA-Abkommen mit Kanada wurden von der EU unter dem Link http://tinyurl.com/maang8t veröffentlicht.
7. Regulatorische Zusammenarbeit
Zahlreiche Rechtsvorschriften sollen Schutz vor Gefahren, insbesondere für Gesundheit und Sicherheit, bieten und die Umwelt und andere Bereiche schützen. Unterschiedliche Rechtsvorschriften können jedoch auch den Handel einschränken. Diese Regelungen sollen in jenen Bereichen, in denen eine Angleichung von Vorschriften ohne Senkung des Schutzstandards möglich ist zwischen der EU und den USA diskutiert und allenfalls koordiniert werden. Ein Beispiel ist die unterschiedliche Farbcodierung von Stromkabeln in der EU und den USA - ein europäischer Hersteller kann dadurch nur mit großem Aufwand für den US-Markt produzieren; gerade für kleine und mittlere Unternehmen stellt dies oft ein unüberwindliches Hindernis dar.
Dort, wo die Schutzstandards unterschiedlich sind - so sind beispielsweise die Schutzstandards in der EU bei gentechnisch veränderten Erzeugnissen höher - gibt es keine regulatorische Zusammenarbeit. Schließlich ist vorgesehen, dass es durch diese Mechanismen zu keiner Umgehung von Parlamenten oder Regierungen kommen kann.
8. Verbraucherschutz und Gesundheit
Das Verhandlungsmandat der EU ist eindeutig: Das bestehende Verbraucherschutzniveau steht bei keinem Thema zur Disposition; jede Vertragsseite wird weiterhin das eigene Schutzniveau für Umwelt, Verbraucher, Sicherheit und Gesundheit selbst festlegen. Das ist auch ausdrücklich im CETA-Abkommen mit Kanada festgelegt. Fleischimporte werden etwa weiterhin nur dann möglich sein, wenn sie den europäischen Standards entsprechen. Der Schutz regionaler Herkunftsbezeichnungen (z.B. Steirisches Kürbiskernöl) soll auf den US-Markt ausgedehnt werden.
9. Aktueller Stand der Verhandlungen
Von 19. bis 23. Oktober 2015 fand die 11. Verhandlungsrunde zwischen EU und USA in Miami/Florida statt. Verhandlungsgegenstand waren Themen in allen drei TTIP-Bereichen Marktzugang, Regulierungsfragen und Handelsregeln.
Ein Schwerpunkt der Verhandlungen war das Kapitel "Handel und Entwicklung". Es ging darum, soziale und ökologische Nachhaltigkeit in TTIP fest zu verankern. Hierzu sollten gemeinsame Vereinbarungen getroffen werden, um hohe Standards beim Arbeits-, Sozial- und Umweltschutz einzuhalten. Der Vorschlag der EU-Kommission dabei ging weit über andere Handelsabkommen hinaus: Er bekräftigte unter anderem die Beibehaltung der politischen und gesetzgeberischen Handlungsspielräume beider Seiten (das sog. "right to regulate"), die Verpflichtung auf hohe Schutzniveaus sowie die Förderung von grundlegenden Prinzipien zu fairen Arbeitsbedingungen (u.a. Förderung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO). Außerdem sollte festgelegt werden, dass keine Standards gesenkt werden dürfen, um Unternehmen den Handel zu erleichtern.
Weitere Themen der aktuellen Runde waren der Abbau von unnötigen Handelshemmnissen (z. B. doppelte Zertifizierungen oder Zulassungsverfahren) - ohne jedoch bestehende Standards zu senken - sowie der weitgehende Abbau von Zöllen, um Warenimporte günstiger zu machen: trotz durchschnittlich bereits niedriger Zölle im transatlantischen Handel, gibt es in einigen Bereichen noch verbleibende Zollspitzen, die den transatlantischen Handel erschweren. Die von beiden Seiten nun vorgelegten Zollangebote decken 97% der Zolllinien ab und bedeuten - bei Inkrafttreten des Abkommens - unmittelbare Handelserleichterungen für Unternehmen.
Verhandelt wurde weiters der Bereich der Marktöffnung für Dienstleistungen. Bei der öffentlichen Daseinsvorsorge, also etwa der Wasserversorgung oder dem öffentlichen Nahverkehr ist dabei nochmals klargestellt worden, dass die Gestaltungsfreiräume der Städte und Gemeinden nicht angetastet werden und es keinen Zwang zur Privatisierung geben wird.
Von 22.-26. Februar 2016 fand die 12. Verhandlungsrunde in Brüssel statt. Im Mittelpunkt der Verhandlungsrunde standen zwei Säulen von TTIP:
a) Regulatorische Zusammenarbeit:
Betont wurde Einigkeit darüber, dass es zu keiner Senkung von gesetzlichen Schutzstandards für Bürger kommen darf und dass die regulatorische Kooperation transparent ablaufen soll und die nationalen gesetzgeberischen Zuständigkeiten nicht berührt. Im Zuge der Verhandlungsrunde wurden konkrete Textvorschläge zu den Einzelheiten ausgetauscht, insbesondere hinsichtlich der verschiedenen Sektorenregelungen (insbes. Auto, Medizintechnik, pharmazeutische Produkte, Textilprodukte). Dabei wird pro Sektor jede Vorschrift die in den USA bzw. in der EU für diesen Sektor geprüft auf Gleichwertigkeit der Schutzstandards und wo gemeinsame Standards unter diesen Voraussetzungen möglich sind bzw. wie man künftig allenfalls gemeinsame Standards setzen kann; die Vorschläge der EU werden demnächst veröffentlicht.
b) Allgemeine Handelsregelungen
Im Mittelpunkt stand dabei der Investitionsschutz; die EU und die USA präsentierten konkrete Vorschläge. Dabei wurde auch erstmals der bereits veröffentlichte EU-Vorschlag eines internationalen Investitions-schutzgerichts diskutiert. Ein weiterer Schwerpunkt in diesem Themenblock war nachhaltige Entwicklung und Umweltschutz.
Am 29. April wurde die 13. Verhandlungsrunde beendet. Wesentlichstes Ergebnis der Verhandlungsrunde ist zunächst die Konsolidierung von Texten, soweit es bereits Bereiche gibt, in denen sich die EU und die USA auf technischer Ebene bereits geeinigt haben.
Im Bereich Regulatorischer Zusammenarbeit einigte man sich über erste gemeinsame Textentwürfe zu regulatorischer Zusammenarbeit allgemein und zu einzelnen regulatorischen Verfahren. Im Bereich KMU wurden substantielle Fortschritte gemacht, erstmals ein Kapitel der Förderung von Möglichkeiten von KMU in einem solchen Abkommen einzubauen. In den Themen Zoll und technische Fragen des Handels wurden ebenso Fortschritte erzielt: es ging dabei um die Vereinfachung von Zollverfahren sowie die Senkung von damit in Zusammenhang stehenden Gebühren sowie Zolltarifen. Aus Sicht der EU ist dieser Punkt von großer Bedeutung, zahlen doch EU-Unternehmen jährlich rd. 3,5 Mrd EUR an Zoll für Ausfuhren in die USA.
Weitere Textkonsolidierungen waren ebenso Gegenstand, etwa zu nachhaltiger Entwicklung - dazu gehört auch Arbeitsrecht und Umwelt. In einzelnen Sektoren wurden auf technischer Ebene Fortschritte erzielt; die EU hat einen Vorschlag für den Pharmaziesektor vorgestellt (dieser ist auf der Homepage der EU-Kommission abrufbar). Ein Schwerpunkt der Verhandlungsrunde war schließlich das öffentliche Beschaffungswesen, wo die Positionen zwischen der EU und den USA jedoch noch recht weit auseinander liegen.
Eine nächste Verhandlungsrunde ist für Juli 2016 vorgesehen.