Ein guter Weg: "Europa hinterfragen"
Grazer WaldorfschülerInnen diskutieren EU-Themen
Graz/Paris (25. April 2012) — Den Schwerpunkt dieser Europastunde bildete eindeutig Frankreich: 14 Schülerinnen und Schüler der Karl Schubert Schule Graz-Ries mit ihrer Lehrerin Hildegard Krug-Riehl waren gestern Nachmittag Gäste im Besprechungsraum der Europaabteilung, um einerseits die Funktionsweise der Europäischen Union zu hinterfragen und andererseits die aktuelle Situation nach dem ersten Wahlgang in Frankreich zu diskutieren.
Martina Spreitzhofer und Ilona Perrot leiteten den Workshop und durften gleich zu Beginn feststellen, dass diese Jugendlichen nicht so sehr an Faktenwissen interessiert waren, sondern engagiert und ohne Vorurteil hinter diesen Fakten deren Sinnhaftigkeit in Frage stellten. "Wie ist das mit der Staatsbürgerschaft", wollte eine Schülerin wissen, "wenn ein Franzose mit einer Österreicherin eine Tochter hat und diese in Norwegen geboren wird?" Dreifachstaatsbürgerschaft? Und wenn dieses Mädchen dann als junge Frau einen Mann kennenlernt, der aus Ungarn stammt und schweizerisch-belgische Eltern hat? Gut, da hilft Humor weiter, so richtig lösbar war die Frage nicht!
Knifflig auch, die Unterschiede zwischen Europarat, Europäischem Rat und dem Rat der EU herauszuarbeiten. Gar nicht so leicht bei dieser semantischen Ähnlichkeit, da den Durchblick zu bewahren!
Wie geht es weiter, nach den Frankreich-Wahlen?
Nach einer kurzen Pause war dann Frankreich dran: Der erste Wahlgang war geschlagen, Monsieur Hollande liegt knapp vor Président Sarkozy, und die 18prozentige Wählerschar von Marine le Pen könnte am 6. Mai die Wahl entscheiden. "Sind das alles Nationalisten", fragt ein Mädchen und Ilona, selbst Französin, erläutert, dass viele aus Protest gegen das herrschende System ihre Stimme am rechten Rand deponierten. "Das heisst nicht, dass alle gleich rechtsextrem sind", erläutert sie. "Viele von ihnen werden sich wahrscheinlich für Sarkozy entscheiden, aber es ist auch nicht auszuschließen, dass einige Francoise Hollande wählen werden." Einer von beiden wird Staatspräsident. Bleibt es Sarkozy, dann kommt es zur Neuauflage von "Merkozy" - "Wie ist das eigentlich, die sind ja nur zwei von 27! Warum geben die dann in der EU den Ton an?" "Die sind von den europäischen Wählerinnen und Wählern ja gar nicht gewählt", wird kritisch angemerkt. Und wenn Francoise Hollande den Umfragen zufolge der neuer Chef aller Franzosen wird? Dann könnte es sein, dass in der Europäischen Union Einiges hinterfragt wird. Aber das sind Waldorfschüler ja gewohnt.
Die Klasse hat jedenfalls deutlich gemacht, dass ein kritischer Geist durchaus sachlich zu diskutieren versteht. Die Schülerinnen und Schüler haben damit bewiesen, dass sie die nötige Reife haben für Europa. Für ihr Europa.
JB