Südosteuropa-Akademie: "Von der Cashcow zum Mühlstein der österreichischen Banken und Wirtschaft?"
Wirtschafts- und Finanzexperten zeichnen auch in Krisenzeiten ein positives Bild vom Osteuropaengagement
Graz (18.06.2009) - Hat sich der mittel- und ostosteuropäische Raum im Zuge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise für österreichische Banken und Wirtschaftstreibende von der Goldgrube zum Totengrab gewandelt oder bleibt er weiterhin Österreichs Hoffnungsmarkt Nummer eins? Dieser Frage gingen Praktiker und Wissenschaftler beim diesjährigen Sommer-Termin der Südosteuropa-Akademie Graz nach, zu dem das Land Steiermark im Rahmen von "europe direct" sowie die Universität Graz in das Medienzentrum Steiermark eingeladen hatten. Am Podium gaben sich die Unternehmens-Vertreter Klaus Schweighofer (Styria Medien AG), Franz Rogy, (Raiffeisenlandesbank Steiermark) und Erhard Schmidt (Saubermacher AG) zwar vorsichtig mit Prognosen, sie zeigten dennoch grundsätzlichen Optimismus: Das große Engagement Österreichs in Südosteuropa sei absolut richtig gewesen; auch wenn "derzeit nur kleinere Brötchen gebacken" werden.
Zu Beginn der Diskussion hatte Vladimir Gligorov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) aus seiner makroökonomischen Perspektive ein dramatisches Bild vom (süd)osteuropäischen Raum gezeichnet. Zwar sei die Lage dort nicht ganz so tragisch wie etwa in Lettland (Minus 18 Prozent), allerdings müsse man mit einem Schrumpfen des BIP von sechs bis acht Prozent rechnen: "Das würde auch einen ebenso hohen Zuwachs in der Arbeitslosenrate bedeuten", so der Ökonom.
Auf die Frage von Moderator Joseph Marko von der Universität Graz, warum sich österreichische Unternehmen und Banken dennoch weiterhin so stark in osteuropäischen Ländern engagieren, verweist Franz Rogi von der Raiffeisen Landesbank Steiermark auf das "Riesenpotential", das in diesem Raum steckt. Trotz der schwierigen Situation sieht er in Osteuropa keinen Mühlstein für Österreich: "Wir können die Krise zwar nicht negieren, aber die osteuropäischen Staaten stellen lediglich einen Kollateralschaden der Gesamtkrise dar." Denn von den 200 Mrd. Euro, mit denen Österreich in Osteuropa engagiert ist, seien ganze 85 Prozent lokal finanziert.
Anders als der Bankensektor haben die Printmedien nicht nur mit der aktuellen Krise, sondern auch mit dem Schreckgespenst des "Zeitungssterbens" zu kämpfen, gibt Klaus Schweighofer, Vorstand der Styria Medien AG, zu bedenken. Da sei es wichtig, neue Märkte mit neuen Ideen zu erschließen: Zagreb stelle derzeit ein "Innovationszentrum der Styria Medien AG" dar, schildert Schweighofer. Die Strategie, die das Unternehmen dabei verfolgt, ist einfach nachvollziehbar. Zwar könne die Styria - mangels kulturellen und gesellschaftlichen Hintergrundwissens - nicht versuchen, Zeitung in einem der Transformationsländer selbst zu machen. "Aber sie hilft, die besten Köpfe auf den neuen Märkten zu finden."
Auch Erhard Schmidt, Finanzvorstand der Firma Saubermacher, die rund ein Drittel ihres Umsatzes in den osteuropäischen Staaten macht, sieht keinen Vorteil darin, den Tochterfirmen, z.B. in Bulgarien, die österreichischen Strukturen einfach überzustülpen. Das Geschäftsprinzip von Saubermacher sei es, "möglichst viel lokal zu machen, um möglichst nahe am Kunden zu sein." Er räumt zwar ein, dass ob der Krise zur Zeit "kleinere Brötchen gebacken werden", zeigt sich jedoch nach wie vor beeindruckt, wie stark der Wille seiner osteuropäischen Partner ist, etwas erreichen zu wollen.
Neben einer angeregten Podiumsdiskussion kamen einige Fragen aus dem interessierten Publikum, das sich auch via Livechat im Internet zugeschaltet hatte. Angesprochen auf die Rolle der Korruption in den Transformationsländern relativierten die Diskutanten unisono: Mit der EU-Integration werde dieser Bereich zwar spürbar reduziert, sei aber vorhanden. "Wir handhaben das nicht anders als in Österreich: Wer dies anspricht, kommt als Partner nicht in Frage", schilderte etwa Schweighofer.
Abschließend blieb Moderator Joseph Marko nur, das Engagement in Osteuropa als eine Win-Win-Situation zusammenzufassen, in der Österreich Unterstützung beim Auf- und Ausbau guter Strukturen leisten und im Gegenzug einen großen Mehrwert, etwa in Form von Innovation, in diesen Ländern lukrieren kann.
Text: Gernot Walter/ "europe direct"/Fachabteilung Europa und Außenbeziehungen