Südosteuropa-Akademie - Bulgarien und Rumänien vor dem EU-Beitritt
Podiumsdiskussion "Die Zukunft in der EU - Hoffnungen und Erwartungen
Bulgarien und Rumänien - Aufbruch trotz Ängste


Den neuen EU-Mitgliedsländern Bulgarien und Rumänien ist das unklare Wissen bei der Bevölkerung der "alten Länder" durchaus bewusst: "Wir wollen nicht länger das unbekannte Wesen bleiben, als das uns ein Großteil der EU-BürgerInnen betrachtet", lautet eines der Hauptziele, das die beiden Länder nach dem Beitritt vom 1. Jänner 2007 anstreben. Die Diskussionsveranstaltung im Rahmen der "Südosteuropa-Akademie" zeigte auch, dass die beiden Balkanländer trotz geografischer Nähe verschiedene historische Entwicklungen durchgemacht haben - allerdings mit vielen Parallelen, die mit dem gleichen Beitrittsdatum zur Europäischen Union am 1. Jänner 2007 eine positive Fortsetzung finden.
So haben sowohl Rumänien als auch Bulgarien in den vergangenen Jahren einen "großen Konsolidierungsprozess, eingeleitet durch Währungsreform und EU-Fördermaßnahmen erlebt, der noch nicht abgeschlossen ist", wie der Grazer Univ.-Prof. Dr. Willibald Posch als Moderator erläuterte. Der Europäisierungsprozess beider Länder werde daher auch einem "Monitoring" ausgesetzt. Eine Maßnahme gleichwohl, die nicht überall auf positives Echo stoße und durchaus geeignet sei, Nährboden für eine keimende EU-Skepsis zu werden.
Am Podium zwei Praktikerinnen, die Ähnliches aus unterschiedlichen Blickwinkeln ansprachen.
So machte Univ.-Prof. Dr. Monika Vlad von der Rumänisch-Deutschen Universität in Sibiu/Hermannstadt einerseits auf die Rolle Rumäniens als Staat zwischen Europäischer Union und Russland aufmerksam. Andererseits zeigte sie aktuelle Ängste und Bedenken auf ("Es gibt kaum noch Eliten") und warnte vor einer Schwächung der Demokratie an sich. Sie persönlich hoffe, dass der Beitritt zur Europäischen Union zu einer "Wiedergeburt der Tugenden" beitragen werde. Derzeit herrsche nämlich vielerorts noch die Mentalität vor, dass der Staat alle Probleme lösen müsse - das Erkennen, dass dem nicht so ist, werde unweigerlich zu einem Schock führen.
Der EU-Beitritt Rumäniens habe die "Demokratisierung der Bevölkerung an sich" vorausgesetzt - ein Prozess, der aus Sicht der Hermannstädter Professorin einerseits noch nicht abgeschlossen ist, andererseits auch leichter fiele, gebe es eine stärkere Elite - aber hier habe vor allem der Kommunismus tiefe Narben verursacht. Nichtsdestotrotz: Das neue Mitglied sollte nicht länger das unbekannte Wesen sein, das es bei einem Großteil der EU-BürgerInnen ist. Die Botschaft laute, dass Europa Rumänien als neuen Partner aktiv kennenlernen müsse. Klar, dass sie in diesem Zusammenhang auf die prachtvolle Stadt Sibiu aufmerksam machte, die 2007 Kulturhauptstadt Europas ist und aufgrund ihres architektonischen und künstlerischen Angebotes einen hervorragenden Einstieg biete, Rumänien näher kennenzulernen.
Die Juristin Alexandra Doytchinova war aus der bulgarischen Hauptstadt Sofia nach Graz gekommen, um ein positives Bild zu zeichnen und zu betonen, dass sich auch die friedliche Entwicklung Bulgariens in den vergangenen Jahrzehnten nun "bezahlt mache". Der Beitritt zur Europäischen Union werde von fast vier Fünftel der Bevölkerung begrüßt. Eine der Hoffnungen, die mit dem EU-Betritt verknüpft werde, sei eine "Sehnsucht nach Ordnung", wenngleich bereits jetzt den bulgarischen Behörden Lob gezollt werden müsse: So erhalte man innerhalb einer Woche einen Bescheid etwa von einem Handelsgericht.
Insgesamt sei Bulgarien derzeit in einer Aufbruchsphase - äußeres Zeichen sei der "noch nie zuvor dagewesene Bauboom".
Als verbesserungsfähig stellte Doytchinova die Information durch die EU für die Bevölkerung dar. Ein relativ schwieriges Unterfangen, da 80 Prozent der Medien dem Boulevard zugezählt werden müssten und dort seriöse Berichterstattung als eher nicht verkaufsfähig gelte. Es sollten daher auch andere Kanäle gesucht werden um die Kernbotschaften der Union an den Mann und an die Frau zu bringen.
So sei derzeit eine geradezu absurde Hysterie festzustellen: Die Bevölkerung habe Angst vor Preissteigerungen durch den EU-Beitritt. "Deshalb werden jetzt zu Tausenden die Kleider für die Maturabälle gekauft" - diese finden traditioneller Weise aber erst im Mai statt!
Schon realistischer sei die Angst vor Preissteigerungen auf dem Energiesektor. Die Abschaltung von Reaktorblöcken des AKW Koslodui in Nordbulgarien mache weitere Energieimporte notwendig. Und Russland sei derzeit nicht wirklich gut zu sprechen auf Bulgarien (und auch auf Rumänien): Der sibirische Bär zeige sich nachtragend, weil er sich von der EU bezüglich des Beitritts dieser beiden Länder als nicht ausreichend konsultiert empfunden sieht.
Alles in allem: Beide Länder würden, so der einhellige Tenor des Abends, nach Bewältigung diverser Übergangsphänomene ein "absoluter Gewinn für Europa" sein.