Faszinierende Analyse des slowakischen Ministerpräsidenten a.D. Jan Carnogursky

Mögliche Perspektiven der Slowakei im heutigen Europa

Es gab durchaus humorvolle Momente.
Es gab durchaus humorvolle Momente.© Alle Fotos: EuropeDirect Steiermark / Abdruck honorarfrei
Honorarkonsul Nikolaus Hermann erwies sich umsichtiger Diskussionspartner für Ministerpräsident aD Jan Carnogursky aus der Slowakei.
Honorarkonsul Nikolaus Hermann erwies sich umsichtiger Diskussionspartner für Ministerpräsident aD Jan Carnogursky aus der Slowakei.
Dankte dem hohen Gast mit einem Steiermark-Buch: Dr. Heidi Zikulnig, Leiterin des EuropeDirect Netwerks.
Dankte dem hohen Gast mit einem Steiermark-Buch: Dr. Heidi Zikulnig, Leiterin des EuropeDirect Netwerks.
Großes Publikumsinteresse für Jan Carnogursky.
Großes Publikumsinteresse für Jan Carnogursky.
Markus Gruber (Landespressedienst), Dr. Zikulnig, Präsident Jan Carnogursky und Honorarkonsul Hermann.
Markus Gruber (Landespressedienst), Dr. Zikulnig, Präsident Jan Carnogursky und Honorarkonsul Hermann.

„Österreich hat Heroisches im Zuge der Wende als Zufluchtsland geleistet" und: „Der Kommunismus war vielmehr ideologisch als wirtschaftlich am Ende und konnte den Leuten nichts mehr geben" sowie: „Ich weine nicht über die Geschichte der Slowakei", ...

Graz (6.April 2011) - Das waren zentrale Aussagen des legendären Ministerpräsidenten der Slowakei, Jan Carnogursky, der vor der Samtenen Revolution im Jahr 1989 in Haft war, bevor er ab 1990 der Slowakischen Regierung angehörte. Zu dieser hochkarätigen, interessanten Diskussion hatte das Ost-Mitteleuropa Forum gemeinsam mit der Fachabteilung für Europa und Außenbeziehungen im Rahmen von „EuropeDirekt" in das Medienzentrum Steiermark am 6. April eingeladen. Für die Fachabteilung begrüßte Dr.in Heidi Zikulnig den hohen Gast und bedankte sich beim Landespressedienst für die gute Kooperation.

Der erfahrene Europaexperte Honorarkonsul Dr. Nikolaus Hermann analysierte eingangs die Entwicklung der Slowakei insbesondere auch im Bezug auf den Nachbarn Ungarn, ehe er in einem Gespräch die gegenwärtige Situation der Slowakei mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten erörterte.

Slowakei hat enorm aufgeholt

Carnogursky ließ keinen Zweifel daran, dass die Slowakei während der vergangenen 15 Jahre enorm aufgeholt hätte und dass sich das Land insbesondere für die Autoindustrie zu einem weltweit unverzichtbaren Standort entwickelt hätte. Die Einführung der Flat-Tax in der Slowakei sei ein bedeutender Meilenstein, über den andere Staaten bis heute nur gesprochen hätten, dieses Steuersystem in ihren Ländern jedoch nicht durchsetzen konnten.
Den Grund, warum die Slowakei nicht auffallend in Erscheinung treten würde, sieht der ehemalige Ministerpräsident sehr nüchtern darin, dass es in seinem Land eben keine großen Ereignisse, Skandale oder auch Katastrophen in der jüngeren Vergangenheit gegeben hätte. Die wirtschaftliche Entwicklung biete keinen Grund zur Sorge und die Slowaken wären ein bescheidenes Volk, das auch mit wirtschaftlichen Problemen durchaus umzugehen wüsste.

Spannungen mit Ungarn wegen Trianon-Vertrag

Seine Analyse des Verhältnisses der Slowakei zu Ungarn brachte zum Ausdruck, dass dieses nicht friktionsfrei sei. Spannungen gäbe es etwa wegen des Trianon-Vertrags, der von manchen ungarischen Kräften negiert werde. Die Strukturen der politischen Parteien in der Slowakei seien keineswegs ungarnfeindlich. Die Parteienlandschaft wäre jener westlicher Staaten sehr ähnlich, nämlich Mitte-links bzw. Mitte rechts.
„Österreich hat Heroisches im Zuge der Wende als Zufluchtsland geleistet" war aus dem Mund des Zeitzeugen zu hören, der mit Lob für Österreich nicht sparte und eben diese Rolle als Zufluchtsland, das Wesentliches während der Umbruchzeit geleistet hat, hervor strich.
„Der Kommunismus war vielmehr ideologisch als wirtschaftlich am Ende und konnte den Leuten nichts mehr geben", unterstrich der Wendepolitiker in seinen Ausführungen. Der demokratische Liberalismus sei aber keineswegs als das Allheilmittel für die Welt anzusehen. Diese Weltanschauung wäre zum Scheitern verurteilt, würde man sie auf der ganzen Welt als Ideologie verbreiten wollen, stimme er mit dem Russischen Außenminister Lavrow überein, den er immer wieder zum Meinungsaustausch trifft.
Auf die kritische Haltung der Slowakei bertreffend die Finanzlage Griechenlands angesprochen, meinte Carnogursky, dass diese nicht seinen persönlichen Intentionen entspreche und im Hinblick auf nationale Wahltermine von populistischen Politikern eingenommen wurde.
„Schicken sie die Bettler, die aus der Slowakei zu Ihnen kommen einfach nach Hause, es wird Ihnen in der Slowakei deshalb niemand böse sein", war die kurze und prägnante Antwort auf die „Bettlerfrage", die Österreich, insbesondere Graz aktuell beschäftigt.


Wiederholt sich die Geschichte?

Die gegenwärtige Revolution in den arabischen Ländern skizzierte er als ein Bild mit ähnlichen Mechanismen, wie er sie aus der Zeit des Zusammenbruchs des Kommunismus kenne. Es bliebe abzuwarten, welche Perspektiven sich aus den Ereignissen entwickeln können.
Konsul Dr. Nikolaus Hermann warf schließlich auch noch die Frage einer gemeinsamen Europäischen Zukunft auf. Der frühere Ministerpräsident sieht einerseits das Christentum als eine Grundlage für dieses gemeinsame Europa, die jedoch nicht überschätzt werden sollte. - Im Übrigen würden sich nach seiner Meinung die Pragmatiker gegen die Nationalisten durchsetzen. Gemeinsames hätte man in Europa grundsätzlich sehr vieles.
Die Kernenergie sei in der Slowakei mehr oder weniger kein Thema - wahrscheinlich deshalb, weil man bisher noch nie unmittelbar von einer Katastrophe bedroht wurde. Rund 50% des Strombedarfs würde in seinem Land dieser Stromquelle entspringen. Ein Ausstieg würde nicht intensiv diskutiert, sagte Jan Carnogursky abschließend.


Ferdinand Krainer

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