EU-Gemeinderäte erlebten Aufbruchstimmung in Schladming

EU Gemeinderäte-Team vor dem Rathaus in Schladming
EU Gemeinderäte-Team vor dem Rathaus in Schladming

Schladming. Eine Stadt in Goldgräberstimmung. Geschäftiges Treiben an jeder Ecke, so, als wäre der altehrwürdige Bergbau wieder in Betrieb genommen worden. Überall wird gehämmert, gebohrt, geschweißt. Und mittendrin das Rathaus, ein gründerzeitliches Baujuwel, das offenbar die Aufgabe übernommen hat, die Ruhe zu bewahren! Mit Stadtamtsleiter Helmut Petter wird diese stoische Gelassenheit sogar noch personifiziert, und zahlreiche Europa-Gemeinderäte aus Kärnten, der Steiermark und aus Niederösterreich ließen sich gerne anstecken von dieser Souveränität. Sie waren auf Einladung des Außenministeriums in die Stadt der Schi-WM 2013 gekommen, um die brennendsten Probleme zu diskutieren. Und deren gibt es zur Zeit ja genug! Die weltweite Wirtschaftskrise mit ihren Auswirkungen auf den Euro stand im Vordergrund, und so erwarteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Referat von Karin Rysavy vom Finanzministerium mit Spannung.

Was sind ESFS? und ESM?

Der Euro stecke in einer Krise, obwohl es keine „Euro-Krise" an sich sei: Ausgelöst wurde diese Bankenkrise in den USA durch den Crash der Lehman-Bank am 15. September 2008, der unter anderem eine gewaltige Immobilienblase zum Platzen brachte. Die globalisierte Finanzwelt war gegen diesen Kollaps nicht gewappnet. Größte Anstrengungen mussten unternommen werden, um die Weltwirtschaft mühsam zu konsolidieren. Die in Europa durch die Staatsschulden ins Schlingern gekommenen Staaten wurden mithilfe von koordinierten Krediten und der ESFS (Europ. Finanzstabilisierungsfazilität) unterstützt; mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM wird nunmehr der nächste Schritt gesetzt.
Mit dem ESM sollen im Einvernehmen der 17 Euro-Länder und unter Einhaltung exakt definierter Kriterien Mitgliedstaaten der Eurozone, die in Zahlungsschwierigkeiten stecken, finanziell unterstützt werden. Der Vertrag zur Einrichtung des ESM soll nach Ratifikation durch die Parlamente der einzelnen Staaten bis Mitte 2013 in Kraft treten..
Priorität vor den finanztechnischen Maßnahmen müsse sein, das Wachstum zu stärken. Und zweitens: „Wir stehen vor der Frage, wie sich Wirtschaft politisch steuern lässt!" Darauf werde die Antwort heftig diskutiert, noch gebe es kein Licht am Ende dieses Diskussionstunnels.
An das Referat der Finanzexpertin schloss sich eine ausführliche Diskussion, in der klargemacht wurde, dass es sich bei den Griechenlandhilfen bislang um bilaterale Kredite handle, ein Schuldenschnitt vorgesehen ist und künftige Unterstützungen aus der EFSF kommen sollen, für die die Mitgliedstaaten eine Haftung übernehmen.

Zuvor hatte Arnold Obermayr vom Außenministerium die Teilnehmer begrüßt und betont, dass Bundesminister Michael Spindelegger davon überzeugt ist, dass unsere Städte und Gemeinden „das natürliche Fundament Europas" sind. Daher sei es von großer Bedeutung, dass gerade jetzt engagierte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte Europa-Kompetenz erwerben um diese der Bevölkerung zu vermitteln: „Ziel des Seminars ist es", so Obermayr, „den Europa-Gemeinderäten fundiertes Wissen zur Verfügung zu stellen und sie in ein Netzwerk von Expertinnen einzubinden".
Der EU-Koordinator der Kärntner Landesregierung, Johannes Maier, machte dann gleich deutlich, was Kompetenz bedeutet: Fundiertes Fakten-Wissen, das er mit Zahlen belegte, macht ihn gegen Stammtischargumente immun. „Die Menschen agieren großteils aufgrund gefühlter Fakten", zitierte er Bernd Schilcher. Dagegen komme man nicht leicht an.

Martina Rattinger, seine Kollegin vom Büro der Kärntner Vertretung in Brüssel, gab einen profunden Einblick in die Arbeitsweise der Länderbüros, die unter anderem für die Bevölkerung in Österreich Lobby-Arbeit machen: „Erfolgreiches Lobbying liegt dann vor, wenn die richtige Information zur rechten Zeit nachhaltig an die richtigen Personen gebracht werden konnte". Heidi Zikulnig von der steirischen Landesregierung - sie war kurzfristig für den Leiter des Steiermarkbüros in Brüssel, Erich Korzinek eingesprungen - stellte die gemeinsamen Bemühungen um die Etablierung der Eisenbahnachse vom Baltikum bis nach Oberitalien als ein best practice Beispiel für gelungenes Lobbying vor. „Hier haben die betroffenen österreichischen Landeshauptleute gemeinsam mit polnischen Wojwodschaften und mit Regionalpolitikern aus Finnland sowie aus den baltischen Staaten und aus Italien beste Arbeit geleistet".

Christian Mandl von der WKO beschäftigte sich launisch mit Mythen, wie dem (von Medien erfundenen) Dekolletéverbot. Wesentlich war sein Blick auf Fakten: Mit Verweis auf das Nicht-EU-Mitglied Schweiz stellte er fest, dass Österreich seit 1995 den Unterschied in der Wirtschaftsleistung zu den Eidgenossen um 50 Prozent reduzieren konnte. Allen EU-Kritikern schrieb er ins Stammbuch, dass Österreich stets ein Teil Europas bleiben werde und dass somit die wichtigsten Exportländer immer in Europa liegen werden. Er stellte auf eine einfache Rechnung an: „Wir exportieren Waren im Wert von 77 Milliarden in die EU", sagte Mandl. Durch den Wegfall der Zollkontrollen ersparen wir uns alles in allem rund zwei Prozent dieses Exportwertes. Das allein sind etwa 1,5 Milliarden Euro. Dazu kommen dann die zahlreichen Förderungen, die in Österreich in vielen Bereichen bestens greifen.
Der Abend gehörte einem gemütlichen Austausch von Meinungen und Argumenten. LAbg. Karl Lackner war in Vertretung von Europalandesrat Christian Buchmann gekommen und fühlte sich im neu entstehenden Netzwerk sichtlich wohl.

Tags darauf durfte ein Blick auf den phantastischen Planet Planai nicht fehlen. Beeindruckend, was da entsteht! Den Wettbewerben darf man jedenfalls jetzt schon mit größter Spannung entgegen sehen.
Dann ging's „auffi" auf die Planai, sehr zum Staunen unserer Gäste aus Mecklenburg-Vorpommern, die aus der Stadt Waren an der Müritz in die obersteirische WM-Stadt gekommen waren. Und oben, in der Schafalm, leiteten Alexandra Schantl von Zentrum für Verwaltunsforschung mit einem Blick auf die vielfältigen Fördermöglichkeiten und Dirk Fassbender von der Europäischen Vertretung in Wien mit einem Ausblick auf die kommende EU-Förderperiode den Seminartag ein. Der ungewöhnliche
Ort zeigte sich von seiner schönsten Seite. Strahlend blauer Himmel, der Dachstein zeigte sich in seiner vollen Pracht und das Tal war zu Beginn in weißer Watte verpackt. Stadtamtsdirektor Helmut Petter verwies auf ein Projekt, das im Zuge der Schladminger Städtepartnerschaften bemüht ist, die Jugend der Gemeinden einzubeziehen.
Michael Slama, Landesgeschäftsführer des Gemeindebundes, berichtete über das Projekt „STAMP to Europe", das sich zu einem sehr erfolgreichen Projekt zur Initiierung von Städte- und Gemeindepartnerschaften entwickelte. Robert Gether präsentierte die Impulsregion Fürstenfeld, eine interessantes Projekt zur Ansiedelung von Betrieben und Menschen. Die Impulsregion vermittelt provisionsfrei für 14 Gemeinden in der Region in und um die Bezirkshauptstadt Fürstenfeld sofort verfügbare Industrie- und Gewerbegrundstücke, sowie vorhandene Büro- und Geschäftsflächen, Bauplätze und Mietwohnungen.
Georg Müllner beschränkte seinen Vortrag auf drei der mehr als 400 Aktionsprogramme. Mit „Bürgerinnen und Bürger für Europa" gebe es ein unkompliziertes Programm, das neben der inhaltlichen und klarerweise europäischen Dimension auch den Faktor Spaß als wesentliches Element sieht. „Lebenslanges Lernen" mit den vier Untergruppen Comenius, Erasmus, Leonardo und Grundtvig sowie „Daphne" seien zwei weitere wertvolle und mittlerweile unverzichtbar gewordener EU-Förderschienen, die gerade auf Gemeindeebene gut eingesetzt werden könnten.
Last but not least rundete Gesandter Willy Kempel vom Außenministerium das Seminar mit einem Überblick über „Was wir bezahlen - Was wir bekommen" ab.
Ein Seminar in einer krisenhaften Zeit. Stimmt. Ein Seminar aber in einer Region, die Hoffnung macht. Neugierig auf die Zukunft.

Josef Bauer

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