Behinderung und Armut sind selten allein

Podiumsdiskussion mit Experten in eigener Sache

Am Podium: Kurt Senekovic, Tamara Gödl, Mineke Hardeman und August Schmölzer (v. l.)
Am Podium: Kurt Senekovic, Tamara Gödl, Mineke Hardeman und August Schmölzer (v. l.) © Foto Landespressedienst; bei Quellenangabe honorarfrei
Silvia Millner von der Europaabteilung lud gemeinsam mit Siegfried Suppan und Sabine Schulze-Bauer zur spannenden Diskussion (v. r.)
Silvia Millner von der Europaabteilung lud gemeinsam mit Siegfried Suppan und Sabine Schulze-Bauer zur spannenden Diskussion (v. r.)© Foto Landespressedienst; bei Quellenangabe honorarfrei

Graz (22. Oktober 2010).- Armut und Behinderung werden oft in einem Atemzug genannt: Warum das so ist und vor allem was dagegen getan werden kann, darüber diskutierten gestern Abend (21.10.) der Schauspieler August Schmölzer (Obmann von Gustl 58, Verein zur Herzensbildung) mit einer Gruppe von Expertinnen und Experten im Blinden- und Sehbehindertenverband in Graz. 142.000 Steirerinnen und Steirer waren laut Bericht der Landesstatistik im Jahr 2008 armutsgefährdet. "Behinderte Menschen sind doppelt so oft von Armut betroffen oder gefährdet, als die übrige Bevölkerung. Behinderung führt oft zu Armut und umgekehrt führt Armut oft zu Behinderung", betonte Behindertenanwalt Siegfried Suppan, der gemeinsam mit der Gleichbehandlungsbeauftragten Sabine Schulze-Bauer und der Europaabteilung zur Diskussion geladen hat.

Was es bedeutet, nichts mehr zu haben und von der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein, erfuhr Kurt Senekowitsch am eigenen Leibe. "Meine psychische Erkrankung hat mich zum Obdachlosen werden lassen, aber ich hab Dank der richtigen Menschen und meinem eigenen Umdenken den Weg zurück ins Leben gefunden", schilderte er und wünscht sich heute für seine Arbeit als Obmann des Vereins Achterbahn, einer Plattform für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung, dass vor allem die Menschen, die helfen können, auch zu derartigen Veranstaltungen kommen.   

Armut steht im unmittelbarem Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit und obwohl die allgemeine Arbeitslosigkeit in der Steiermark im ersten Halbjahr um 7,6 Prozent gesunken ist, so ist sie bei behinderten Menschen um durchschnittlich 6,7 Prozent gestiegen. Ein Trend, den auch Mineke Hardeman von der Europäischen Organisation der Dienstleistungsanbieter für Menschen mit Beeinträchtigung auf europäischer Ebene beobachtet. "Dieser Anstieg ist nicht nur seit der Wirtschaftskrise zu beobachten, weil er leider von der Konjunktur unabhängig ist. Nur wer Arbeit hat, kann sich auch seinen Lebensunterhalt finanzieren". In der Steiermark beschäftigen bedauerlicherweise immer weniger Betriebe behinderte Menschen. Aktuell gibt es in der Steiermark über 2.100 Dienstgeber, die aufgrund der Anzahl ihrer Beschäftigten auch einen Menschen mit einer Behinderung einstellen müssten. Ab 25 Mitarbeitern ist ein Unternehmen nämlich gesetzlich verpflichtet, einen behinderten Menschen zu beschäftigen. Tut man das nicht, muss man eine monatliche Ausgleichstaxe zahlen. "Bedauerlicherweise zahlen mehr als drei Viertel der steirischen Unternehmen lieber die Ausgleichszulage, als einem behinderten Menschen eine Chance zu geben", bedauert Suppan die Haltung der Betriebe. Die Ausgleichszulage beträgt rund 230 Euro im Monat. Eine Erhöhung sowie auch die Aufweichung des Kündigungsschutzes wären Lösungen, darauf konnten sich die Diskutanten im Laufe des Abends einigen.

Was es bedeutet, jahrelang zu arbeiten, aber heute nichts dafür zu bekommen, davon konnte Tamara Gödl berichten. Sie hat jahrzehntelang in einer Tageswerkstätte in der Wäscherei gearbeitet. "Als Lohn bekam ich ein Taschengeld und als ich in Pension gehen wollte, konnte ich das nicht, weil ich nicht versichert war". Kein Wunder, dass sie sich nichts mehr wünscht, als das behinderte Menschen, die in einer Tageswerkstätte arbeiten, auch sozialversichert werden. Derzeit arbeiten in der Steiermark rund 3.000 Menschen mit Behinderung in Werkstätten und Betrieben der Behindertenhilfe.

Auf die Frage hin was jeder Einzelne dazu beitragen kann, dass die Zwillinge Armut und Behinderung getrennt werden, wusste August Schmölzer vielleicht einen Ansatz. "Jeder Einzelne ist dazu aufgefordert, sich viel mehr um seine Mitmenschen zu kümmern. Helfen wir doch mehr unserem Nachbarn, interessieren wir uns für unser Gegenüber, dann werden wir sensibler für das, was wirklich wichtig ist: Ein Miteinander, ob mit oder ohne eine Behinderung".

Die Podiumsdiskussion fand im Rahmen der "8. Europäischen Woche der Regionen und Städte" statt; das Thema wurde anlässlich des europäischen Jahres zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung gewählt.  

Nähere Informationen direkt bei Behindertenanwalt Siegfried Suppan unter 0676/86662745.

 

Graz, am 22. Oktober 2010

 

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